Organisations-Aufstellungen können längst als etabliert gelten – zumindest was die Jubiläen zur Methode angehen – zumal sie in einem breiten Spektrum an Spezialisierungen in die Organisationsberatung, ins Coaching sowie in Training und Fortbildung Eingang gefunden haben.
Und sehr oft erfolgt lediglich eine punktuelle Einbindung in beraterische und supervisorische Ausbildungen. Das suggeriert, das Organisationsaufstellungen lediglich ein „Handwerkszeug“ sind.
Ob diese Grundlage als Qualifizierung für den professionellen Einsatz der Methode ausreicht ist, ist aus meiner Sicht sehr fragwürdig.
Mir geht es darum, dass Organisationsaufstellungen wirklich in das Portfolio von Berater/inn/en integrierbar werden. Und das geht über die Integration in das bestehende oder die Ausweitung des bisherigen Arbeitsfeldes hinaus. Das geht aus meiner Sicht sogar über die Anwendung von Organisationsaufstellungen im engeren Sinne hinaus!
Neben vielen Vorteilen des Einsatzes einer professionellen Organisationsaufstellung (schnellere Analyse, Einbezug kollektiver Wahrnehmung, Nutzung von Intuition und Körperintelligenz als ergänzende Faktoren, Zeigbarkeit von Gruppenprozessen, erfahrungsgesteuerte Simulationen von Geschäftsmodellen, Produkten oder Veränderungsprozessen, Integrierbarkeit von intuitiven und intellektuellen Analysen und dadurch Kosten- und Zeiteinsparungen, sowie Risikominimierung und Problemlösung, Einsatz in der Lehre um Modelle auch kinäesthetisch zu vermitteln, ...) gibt es noch einen wesentlichen Vorteil, der oft übersehen wird und den ich besonders herausheben möchte: Eine fundierte Weiterbildung und häufige Erfahrung in Aufstellungen schult vor Allem die eigene Haltung und die eigene Perspektive auf komplexe adaptive Systeme.
Von daher kann eine Weiterbildung in Organisationsaufstellungen ebenso wie eine kontinuierliche Aufstellungsgruppe auch als ein Lern- und Übungsweg für ein besseres Handeln in sozialen Systemen aufgefasst werden. Dabei geht es vor Allem um die Selbsterfahrung die Reflexion, wie wir auf Systeme schauen, welche Grenzen wir ziehen, welche Dynamiken wir wahrnehmen und welche Hypothesen wir aufstellen und wie wir diese testen.
In den Organisationsaufstellungen taucht natürlich das ganze Spektrum an Paradoxie, Ambiguität und Ambivalenz von Organisationen auf. Der Umgang damit muss gelernt werden und das schließt ganz wesentlich die Haltungsebene mit in die „Übung“ ein (wozu im Übrigen ja mindestens noch der Umgang mit Achtsamkeit und Allparteilichkeit gehört, wenn man in der Rolle eines Aufstellungsleiters aktiv arbeitet).
Die Idee, dass sich beim Erlernen von Aufstellungsarbeit eigentlich nur der „Handwerkskasten“ erweitere, zeigt die Grenzen von Anspruch und Haltung konventioneller Beratung (und Didaktik) auf. Denn die Anforderungen an die Performance erfordern in der Aufstellungsarbeit die Kunst des Rückzuges an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt sowie die Bereitschaft zum Verzicht:
auf Tun, Wissen, Erfahrung, Überzeugung, Angstabwehr (soweit das geht), etc.
Und das sind ja auch Schlüsselkompetenzen für unser Wirken als Berater und Führungskraft. Zumindest wenn wir bereits die Idee von komplexen, also lebendigen Systemen annehmen und nicht immer noch glauben, lebendige Systeme liessen sich linear-kausal erklären.
Ein solches Lernen braucht Zeit, Gelegenheit, Inhalte und eine erweiterte Reflexion.
Auf einer körperlichen Ebene lernen wir, in anderer Art und Weise auf unsere Sinne zu achten. Durch den Fokus auf Körperwahrnehmung und die Schulung der Unterscheidung körperlicher Wahrnehmung gewinnen wir ein feines Instrumentarium, um auch in Alltagssituationen mehr Informationen zur Verfügung zu haben. Der Umgang mit diesen Informationen wird trainiert, denn in erster Linie sind es ja Selbst-Informationen, die in den Dialog gebracht werden müssen.
Auf der intellektuellen Ebene geht es um andere Konzepte der Beobachtung und Bedeutungsgebung. Das umfasst beispielsweise die Kombination von systemdynamischen und individuellen Wirkbezügen. Die Perspektiverweiterung auf ein System, statt auf Einzelpersonen zu schauen und der Zoom von dem Gesamtsystem zu relevanten Ausschnitten braucht Sprach- und Bedeutungsgebungskonzepte, die nicht nur gelernt, sondern vor allem in einem selbst gebildet, also erfahren werden müssen. Dazu gibt es reichlich Gelegenheit, im eigenen Familiensystem erworbenen Annahmen zu hinterfragen und einiges zu verlernen, um Raum für Neues zu machen.
Auf einer emotionalen Ebene kann man durch Aufstellungen eine differenziertere Wahrnehmung von Gefühlen, Emotionen und Empfindungen lernen. Diese Unterscheidungen sind wichtig, um sich von dieser Ebene zwar informieren, aber nicht überwältigen oder davon treiben zu lassen. Letzten Endes geht es hier weniger um eine Gefühlskunde, sondern mehr um die anziehenden, abstossenden oder neutralen Kräfte, die sich aus den Gefühlen ergeben, bzw. sich durch diese Gefühle ausdrücken.
Auf der Ebene des Gewahrseins ergibt sich ein anderes Verständnis und eine gesteigerte Fähigkeit der eigenen Aufmerksamkeitssteuerung, sowie der Intentionsbildung- und operationalisierung. Der zunehmend steigend bewusstere Umgang mit den eigenen Absichten, der Themenwahl und auch dem Empfinden von Resonanz bei angebotenen Themen ist ein wesentlicher Faktor in der eigenen Orientierungsfähigkeit in komplexen adaptiven Systemen, sei es der Mensch selbst, aber auch in Organisationssystemen.
Aufstellungsarbeit ist nicht unumstritten. Das Setting in der Gruppe mit einer Leitungsperson ist natürlich stark anfällig für Konditionierungs- und Ideologisierungsmuster. Ebenso ist eine Gruppe ohne Leitung, die sich selbst organisiert, genauso gefährdet, dass sich ungünstige kollektive Muster wiederholen.
Dazu kommt, dass Aufstellungen auch ein hypnotisches Verfahren sind, es geht um ein stärkeres Heraustreten aus dem Alltagsgewahrsein und ein Einlassen auf vorbewusste, intuitive und körperliche Informationsquellen.
Es braucht hier die klare Eigenverantwortung gepaart mit einer kritischen Reflexion und einer grundsätzlichen Offenheit. Das ist manchmal ein herausfordernder Balanceakt, der sich bei Gelingen natürlich deutlich auf die eigene Persönlichkeitsentwicklung positiv auswirkt. Je nach eigener Bewusstheit sind Aufstellungen auch gut geeignet, um vertikale Entwicklungsschritte anzuregen, zu gehen oder entsprechend die vierte Personenperspektive zu stärken. Je nach Leitung und gestaltetem Raum kann auch eine Unterstützung späterer Personenperspektiven erfolgen.
Bei Interesse an Austausch zu dem Thema oder Interesse an Aus- und Weiterbildung oder Supervision, meld Dich einfach bei mir. Aufstellungen sind ein Spezialgebiet, bei dem ich nicht alle Termine und Gelegenheiten öffentlich ankündige.