Führung – das missverstandene Element in Organisationen

Führung – das missverstandene Element in Organisationen

Heiko Veit
von Heiko Veit

In diesem Beitrag soll es einmal ganz explizit um das Thema „Führung“ gehen. Gerade in post-konventionellen Organisationen, also Organisationen, die versuchen klassische Organisationsstrukturen und -muster zu überwinden, wird das Thema Führung schnell zu einem Thema für ideologische Diskussionen. 

Daher hier mal ein paar differenzierende Überlegungen.

Führung, das unbekannte Wesen

  • Welche Assoziationen kommen Dir in den Kopf, wenn Du das Wort Führung hörst? Wie viele Gedanken zum Thema Macht und Machtmissbrauch tauchen auf?
  • Wie viele Assoziationen von Vor-GESETZTEN, also Menschen, die vor einen gesetzt werden, warum und wozu auch immer?
  • Wie viele Assoziationen zu UNTERgebenen, also Menschen, die einem gegeben werden und warum eigentlich drunter und nicht daneben, tauchen auf?
  • Wie viele geschichtliche Episoden fallen Dir ein, gerade da können wir Deutschen ja auch aus dem Vollen schöpfen.
  • Wie viel Organigramm kommt Dir gerade in den Sinn?
  • Und fällt Dir auch der Spruch ein „Wer glaubt, dass Abteilungsleiter Abteilungen leiten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.“

Das gängige Narrativ lässt uns schnell an eine Führungsperson denken, was auf jeden Fall auch eine Variante der Organisation von Führung sein kann, aber eben nicht muss.

Führung ist eine Systemfunktion, keine Stellenbeschreibung

Um Führung post-konventionell zu denken, gilt es erst einmal, hinter die gängigen Narrative zu schauen und differenziert auf die Funktionsweise von Führung zu schauen.

Führung ist eine Funktion im System, die Orientierung sicher stellt.

Im Wesentlichen geht es bei Führung um Orientierung. Es geht darum, eine Ausrichtung herzustellen, die es ermöglicht, dass die Menschen in der Organisation in Richtung dieser Orientierung zusammen wirken können.

Darüber hinaus geht es auch um ein gemeinsames Verständnis von Grenzen, die neben der Ausrichtung sicher stellen, dass die Menschen in der Organisation sich innerhalb eines vereinbarten Rahmens aufhalten können.

Führung über eine Person zu realisieren ist wohl die trivialste Form des Herstellens der Orientierung. Diese Modell haben wir in unserer Kindheit zutiefst aufgenommen, weil wir als Kinder im Allgemeinen die Orientierung von Erziehungsberechtigten erhalten haben. Wie immer führen Menschen ein einmal erlerntes Muster fort, sofern dieses Muster nicht einmal reflektiert und verändert wird.

Das führt dazu, dass die meisten Menschen irgendwie (meistens unbewusst) davon ausgehen, dass es jemanden gibt, der mehr weiß, der weiter blickt oder einfach auf Grund seiner Position das Recht oder die Pflicht hat, Entscheidungen zu treffen und Führung zu übernehmen.

Doch das führt eben immer dazu, dass Menschen sich nicht in der vollen Bandbreite einbringen. Es führt automatisch zu einer gewissen Abwertung, bzw. Aufwertung von mir oder anderen und es sorgt auch schnell für einen Mangel an Verantwortung, weil die Erfahrung ja ist, dass jemand anderes antwortet.

Führung anders operationalisieren

Wenn wir uns einmal verbieten, die Führungsfunktion durch einen Menschen zu realisieren, können wir auf interessante Gedanken kommen. Wir müssen uns dann nämlich strukturelle Prozesse überlegen, die als Routine, Ritual oder ähnlich funktionieren. Und dann können wir bei der Operationalisierung überlegen, wie dieser strukturelle Prozess aussehen muss, damit sich relevante Personen auch voll einbringen können.

Um darüber nachzudenken lohnt es sich, einmal genauer auf die verschiedenen Details zu schauen, die Führung sicher stellen.

Vier Schlüsselaufgaben von Führung

Um Führung eine Ebene tiefer zu legen, hat sich in meiner Praxis die Aufteilung in vier Schlüsselaufgaben von Führung bewährt.

Schluesselaufgaben von Fuehrung in Organisationen

Diese vier Schlüsselaufgaben und deren Illustration durch Beispiele kann natürlich kontextabhängig unterschiedlich betrachtet und anders geschnitten werden. Bitte auch hier diese Aufteilung als Denkanstoß betrachten und kontextspezifisch ausformulieren.

Jetzt ist also im Zusammenhang von Organisationsdesign die spannende Frage, welche Strukturen, Prozesse, Regeln, Prinzipien, Rituale, Routinen und Vorgehensweise nützlich sind, um Führung in der Organisation gut zu verankern.

Beispiele für alternative Führungsaufteilung

Tagesgeschäft managen kann ich an ein Team übergeben, welches sich beispielsweise mit Methoden aus den agilen Techniken zu einer eindeutigen Priorisierungsentscheidung kommen.

Darauf basieren könnte über eine Berechnungsformel die zur Verfügung stehende Kapazität verteilt werden.

Eskalationen könnten in einem Stand-Up angesprochen werden und situativ könnte das Team entscheiden, wer diese Eskalation weiter bearbeitet.

Mitarbeiter entwickeln beinhaltet unter Anderem ja auch das Thema des Feedbacks. Neben individuellem Feedback auf Basis vereinbarter (und selbst erstellter und im Team abgestimmter Mitarbeitenden-) Entwicklungspläne gibt es auch die Möglichkeit, transparente oder anonyme Gruppenfeedbacks einzusammeln oder dies an eine Retrospektive zu koppeln.

Organisation entwickeln kann über strukturierte Workshops in Form von Retrospektiven oder auch Sensing Journeys, Staff Rides oder anderen Formaten realisiert werden. In den Prozess sollte dann auch das Feedback von außen, also relevanten Stakeholdern, wie Kunden, Partnern, Zulieferern mit beinhalten und könnte dann auf Optimierung des Gesamtsystems hinauslaufen und nicht an den eigenen Systemgrenzen enden.

Sich selbst entwickeln ist eigentlich schon immer eine Aufgabe, die jeder für sich selbst durchführen muss. Dazu braucht es natürlich auch Feedback, was im Wesentlichen über Mitarbeiter entwickeln sichergestellt werden könnte. Jede Form der äußeren Steuerung dieses Themas beinhaltet automatisch die Diskussion über die Frage nach der Übergriffigkeit von Organisationen, wenn die persönliche Entwicklung nicht selbst entschieden, initiiert und gesteuert erfolgt.

Noch drei Hinweis zum Ende

Ja, der Aufwand ein Organisationsdesign durchzuführen, welches eben nicht die Muster der Vergangenheit aufgreift und einfach eine Führungskraft benennt und dennoch eine effiziente und effektive Art der Orientierungsherstellung sicher zu stellen ist nicht trivial.

Ja, Grenzen finden ist nicht trivial und dennoch unglaublich wichtig. Das Herausbilden eines Systems über die Zeit, in dem sich verschiedene Arten von Grenzen bilden, während andere entschieden werden müssen, hat natürlich ein Element einer reflexiven Praxis.

Und ja, Ausrichtung kann man sehr schön auseinander nehmen in Aus-Richtung, was auch bedeuten könnte, dass man die Aussen-Perspektive mit einbeziehen muss. Organisationen haben keinen Selbstzweck. Im Wesentlichen geht es darum, ein Bedürfnis aus dem Kontext zu befriedigen und daher sollte genau auch der Kontext und die Aussenorientierung und somit die Wertschöpfung für den Kontext ein wesentlicher Bezugspunkt für das gesamte Organisationsdesign sein.

Heiko Veit
Heiko Veit
Hier schreibe, denke und drücke ich mich aus. Und zwar, ohne mir irgendeine Perspektive zu verbieten oder einen besonderen Fokus zu verfolgen. Ich hoffe, Du findest etwas für Dich Interessantes! Mehr über mich findest Du auf Über uns. Danke fürs Lesen und Herzensgrüße an Dich.
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