Mal ganz ehrlich…
Wie oft tauchte schon der Gedanke auf: „Meine Güte, warum machen die das so kompliziert. Können wir nicht einfach mit gesundem Menschenverstand an die Sache herangehen?“
oder
„Wie konnte das passieren? Mit ein bisschen gesundem Menschenverstand hätte man das doch vermeiden können.“
Dieser Gedanke ist erst einmal einleuchtend. Wie so vieles, wenn wir nicht mal etwas genauer darüber nachdenken.
Wikipedia (und lassen wir mal die Diskussion über den Sinn und Unsinn dieser „Quelle“ bei Seite) sagt dazu:
„Der Ausdruck gesunder Menschenverstand bedeutet den einfachen, erfahrungsbezogenen und allgemein geteilten Verstand des Menschen bzw. dessen natürliches Urteilsvermögen.“
Lassen wir das doch mal einen kurzen Augenblick wirken:
Falls Du gerade lachst, herzlichen Glückwunsch. Wir haben hier die Kombination von “einfach”, „erfahrungsbezogen“ und „allgemein geteilt“.
Das bedeutet, ich kann gesunden Menschenverstand nur in einer Gruppe anwenden, die einen gleichen Erfahrungsraum hat, der auch noch allgemein geteilt wird, also bei dem sich die Bedeutungsgebung und die Reflexion der Erlebnisse auch noch gleich verhält. In AQAL-Sprache würden wir da von einer sehr hohen Übereinstimmung im linken unteren Quadranten sprechen. Und da haben wir mal wieder unsere Probleme… schließlich machen Menschen sehr unterschiedliche Erfahrungen, haben sehr unterschiedliche mentale Modelle, mit denen sie Ihre Erfahrungen reflektieren.
Und das bedeutet zusammengefasst, dass immer, wenn ich „gesunder Menschenverstand“ sage, ich in Wirklichkeit sage, dass ich mit meinem Hintergrund, meinen Erfahrungen, meinem Lebensweg, meinen Ausbildungen, meinen eigenen Prägungen, ….., etwas in einer bestimmten Art tun würde. Damit ignoriere ich –mehr oder weniger-, dass jeder Mensch eine sehr individuelle Sicht auf das Leben hat, wir alle unterschiedliche Hintergründe/Ausbildungen/Erlebnisse haben und dergleichen mehr.
Und darüber hinaus mache ich mir üblicherweise nicht (mehr) klar, was eigentlich meine Kriterien, meine Überlegungen, meine Schlussfolgerungen sind, die ich in einer Situation ansetze.
Also, wenn Du das nächste Mal bemerkst, dass Du „vom gesunden Menschenverstand“ sprechen möchtest, mach doch mal stattdessen folgende Übung und schau, was Du dann wirklich sagen magst:
Mit Erfahrungen meine ich hier übrigens alles, was Du reflektieren kannst, Deine Erlebnisse, Deine Aus- und Weiterbildungen, Dein privater Hintergrund, Deine Lebenssituation heute und in der Kindheit….
Wie kann ich meine Erkenntnisse formulieren, damit mein Gegenüber von meiner Sichtweise profitiert?
Und viel Spaß und interessante Erkenntnisse bei der eigenen Erkundung mit diesen Fragen.
Lass Dich überraschen, zu welchen anderen Lösungen ihr auch in einem Team kommt, wenn ihr an Hand konkreter Situationen Eure Erfahrungshintergründe austauscht und lösungsorientiert einsetzt….