Im Mutterleib machen wir drei grundlegende Erfahrungen , die uns unser Leben lang immer begleiten werden. Wir sind verbunden, wir wachsen und es gibt einen Raum, in dem wir uns aufhalten, der irgendwann nicht mehr passt und den wir dann verlassen, um weiter zu gehen. Diese Erfahrung machen wir zutiefst körperlich und wir können sie in unserem Bewusstsein noch nicht erfassen. Denn unser Bewusstsein beginnen wir hier erst zu entwickeln.
Wir werden uns mehr und mehr gewahr und aus dem Urzustand eines ozeanischen Einheitsempfinden des Neugeborenen treten wir die Reise unseres Lebens an. Wir kommen in unserem Leben an unterschiedlichsten Stationen vorbei, je nach Herkunft, Kultur und individuellem Lebensweg. Einige davon sind freudvoll, andere anstrengend und wieder Andere vielleicht sogar langweilig.
Und dennoch läuft im Hintergrund eine Reise, auf der wir Menschen alle die gleichen Reiseabschnitte erleben: Die Reise der Bewusstseinsentwicklung.
Auf dieser Reise gibt es eine zwingende Abfolge von Reiseabschnitten. Auch wenn nicht jeder Mensch jeden Abschnitt bereisen wird, so ist es doch hilfreich diese zu kennen. Damit wir in besserer Beziehung zu anderen Menschen sein können, besser zusammen arbeiten oder angemessener führen. Insbesondere, wenn man selbst wachsen oder andere bei ihrem Wachstum unterstützen möchte.
Das STAGES Modell ist wie eine gute Landkarte und kann Hilfe bei der Orientierung geben. Es schränkt aber das einzigartige Gelände nicht ein und lässt daher viel Raum für die einzigartige Lebensreise. Wenn Dich eher das abstrakte STAGES Modell interessiert, könnte dieser Artikel für Dich interessant sein.
Mit der Geburt beginnt die Reise in den Körper. Unsere Sinne entwickeln sich und wir lernen, wo unser Körper aufhört und die Welt beginnt. Das ist die Voraussetzung, um einen eigenen Willen zu entwickeln, aktiv mit unserem Körper zu werden und auf die Welt um uns herum Einfluss zu nehmen. Wir erschliessen uns die erste Personenperspektive, unser konkretes "Ich". Was will ich und wie kann ich das bekommen, was ich möchte. So erfreulich es sein kann, wenn man beobachtet, wie ein kleines Kind sich ein Spielzeug nimmt und sich an dem Spiel damit erfreut, stellen wir doch schnell fest, dass wir so alleine noch keine Gesellschaft aufbauen können.
Die zweite Reise führt uns also in die Gruppe und somit in die Gesellschaft hinein. Damit erschliessen wir uns die zweite Personenperspektive, wir erkennen also "Ich" UND "Du". Wir lernen, wie Beziehungen funktionieren und wie wir mit Regeln umgehen. Im weiteren Verlauf stabilisieren wir die Regeln und verinnerlichen sie zu Prinzipien und inneren Werten. So gelingt es uns, eine stabile Gesellschaft aufzubauen. Unsere Gedanken, Gefühle und Verhalten sind in Übereinstimmung mit den Werten des jeweiligen gesellschaftlichen Umfelds. Dies gelingt uns, indem wir innerlich stabile Prinzipien entwickeln, die wir aufrecht erhalten können, auch wenn unser Umfeld sich ändert. So können wir stabil die Traditionen fortführen und über viele Jahrhunderte aufrecht erhalten. Doch welche Individualität ist möglich, wenn wir nur fest in unseren Traditionen stehen...
So beginnen wir also die dritte Reise zur Freiheit von der Gruppe hin zu unserem Ich und der aktiven Selbststeuerung und Selbstbestimmtheit. Wir lernen unsere Gedanken und Gefühle differenziert wahrzunehmen und entwickeln differenzierte eigene Gedanken und Gefühle. Ähnlich, wie wir auf der erste Reise die Grenze unseres Körpers kennen und unseren Körper aktiv verwenden lernen, lernen wir in dieser Reise unsere Gedanken, Gefühle und unser Verhalten aktiv zu steuern und an unseren Zielen und Visionen auszurichten. Die reife und breit ausgeprägte dritte Personenperspektive ist das weit verbreitete Ideal, auf das unsere Gesellschaft ausgerichtet ist. Damit können wir eine Metaperspektive einnehmen, wir können sozusagen objektiv auch auf "Ich" und "Du" schauen. Wir können uns unsere eigenen Maßstäbe setzen und somit entscheiden, welche Aspekte der Tradition wir weiter bewahren wollen und welche wir für unsere Ziele und Visionen bereit sind, zurück zu lassen.
Die vierte Reise treten nur noch ca. 15% der Bevölkerung an. In dieser Reise entwickeln wir ein innerliches Verständnis von subtilen Kontexten und Systemen. Wir bemerken, wie soziale Konstruktion funktioniert und erkennen mehr und mehr, wie unser Umfeld uns und unsere Werte zutiefst geprägt hat und auch in jedem Augenblick mit prägt. Wir erkennen, dass die Wahl unserer Maßstäbe letztlich auf diesen Prägungen basiert. Wir entwickeln die vierte Personenperspektive und erfassen damit auch die Relativität unsere Objektivität, selbst wenn wir uns mit mehreren Personen einig sind. Wir sehen unsere impliziten Annahmen, die wir früher für wahr gehalten haben, schneller und insgesamt erlangen wir so eine Freiheit vom Ich und Reisen zu unserem Selbst. Wir sehen, dass andere etwas an uns erkennen können, was wir selbst nicht sehen. Wir entwickeln ein tieferes Verständnis von Verschiedenartigkeit und lernen immer größere Polaritäten zu integrieren oder zumindest im Gewahrsein zu halten. Das ähnelt den Lernerfahrungen der zweiten Reise, in der wir lernen durften, dass andere Menschen nicht immer die gleichen Wünsche teilen, andere Fähigkeiten haben und wir dennoch oder gerade deswegen miteinander Beziehung gestalten können. So entwickeln wir hier die Fähigkeit bewusst Systeme, Strukturen und Kulturen zu schaffen, wie sie für uns langfristig hilfreich sind.
Der nächste Reiseabschnitt wird noch seltener bereist. Wir sprechen hier eher von 1-2% und dennoch lassen sich auch hier noch feinere Unterscheidungen erkennen. Mit der fünften Personenperspektive treten wir die Reise zur Freiheit vom Selbst an und zugleich erkennen wir auch die Grenzen dieser Freiheit. Wie wir in unserer ersten Reise die Grenzen unseres konkreten Körpers erfasst haben und in der dritten Reise die Grenzen unseres eigenen Denken und Fühlens und damit Metakognition errungen haben, so erkunden wir hier die Form unseres eigenen Bewusstseins und entwickeln ein Meta-Gewahrsein. Wir erfassen unsere einzigartige Bedeutungsgebung, unsere eigene Wirklichkeitskonstruktion und mehr und mehr, wie diese zu Stande gekommen ist. Denn unser gesamtes Gewordensein, was natürlich auch den Körper mit einbezieht, bestimmt, wie wir Bedeutung geben, unsere Erfahrungen einsortieren und welche Zustände wir einnehmen.
Mit der sechsten Personenperspektive weitet sich diese Perspektive noch weiter aus und wir gelangen hier zu den spätestens und sehr seltenen Strukturen des Bewusstseins. In denen sehen wir die Zusammenhänge weitester Polaritäten wie die Einheitserfahrung mit allem existenten in einem universellen und energetischem Fluss in dem wir zugleich Teil und Ganzes sind und integrieren weiteste Polaritäten...oder können diese zumindest halten. So erlangen wir einen gänzlich anderen Bezug zu Raum, Zeit, Materie und Geist.
Und vielleicht erkennst Du den ein oder anderen Reiseabschnitt. Vielleicht hast Du auch Zustandserfahrungen gemacht, die Dich an Reiseabschnitte denken lassen, die Dir noch nicht so vertraut sind.
Und mach Dir bewusst, dass die Perspektive der Bewusstseinsentwicklung und dieser möglichen Reise nur eine möglich Form ist, auf das Leben zu schauen. So hilfreich die Perspektive von STAGES in der persönlichen Entwicklung, im Coaching, in Führung und Zusammenarbeit auch sein mag, sollten wir diese Perspektive doch auch ergänzen.
Denn vielleicht ist das Leben nicht nur eine Reise, vielleicht ist es überhaupt keine Reise, sondern ein Tanz. Ein Tanz, bei dem es nicht darum geht irgendwo anzukommen, sondern einfach jeden Schritte bewusst zu machen und sich daran zu erfreuen. Im Einklang mit der Musik oder auch mal neben dem Takt zu sein. Und wenn die Musik endet -hoffentlich- zufrieden einzuschlafen.
Doch bis es soweit ist, tanzen wir vielleicht ein paar Takte gemeinsam?