Ein kurzer Blick auf Spiral Dynamics - mit Differenzierungen!

Ein kurzer Blick auf Spiral Dynamics - mit Differenzierungen!

Heiko Veit
von Heiko Veit

Spiral Dynamics wurde von Don Beck und Christopher Cowan auf der Grundlage von Dr. Clare W. Graves' Forschung in den 1950er Jahren entwickelt. Als Psychologieprofessor am Union College erforschte Dr. Clare W. Graves von den 1950er bis zu den 1980er Jahren, was Menschen antreibt und glücklich macht. Dabei entdeckte er, dass in der menschlichen Entwicklung eine Reihe abgetrennter Stadien zu unterscheiden sind. In jedem dieser Stadien, die in Spiral Dynamics als Wertesysteme oder Meme bezeichnet werden, haben Menschen andere Motivationen, Triebfedern und daraus resultierende Bewältigungsmechanismen. Jedes dieser Wertesysteme entsteht durch die Interaktion mit spezifischen Lebens- und Arbeitsumständen.

In meinen Betrachtungen habe ich immer eine Entwicklungsperspektive als Hintergrundfolie. Ich setze mittlerweile als Entwicklungsmodell für Einzelpersonen vor Allem STAGES, ein Ich-Entwicklungsmodell ein. Und für die Entwicklung von Gruppen und Organisationen verwende ich zur Beschreibung lieber Anwendungen der Theory of Process.

Allerdings habe ich davor lange Spiral Dynamics verwendet und finde es auch eine noch ein anregendes Modell für die Entwicklung von Weltsichten. Eine Weltsicht oder Meme ist dabei stark vereinfacht eine Mischung aus Umweltbedingungen und Bewältigungsmechanismen, weniger die Entwicklungsstufe des Bewusstseins.

Die Weltsichten und die dazugehörigen Werte haben sich im Laufe der menschlichen Evolution herausgebildet. Wichtig ist, dass es sich um ein Entwicklungsmodell und nicht um eine Typologie handelt. Auf jeder Stufe weitet sich mein Blick und ich nehme mehr Elemente auf, werde flexibler und offener.

Dabei gilt, dass keine Stufe übersprungen werden kann.

Die Unterscheidung, ob ich Spiral Dynamics auf eine Person oder auf eine Gruppe von Personen anwende, ist auch nochmal relevant und wichtig. So können einzelne Personen andere Weltsichten haben, als die Weltsicht, die sich in einem Gruppenprozess als dominant durchsetzt. Der Satz sollte schon zeigen, wie komplex und bunt diese Prozesse sind und dass es ganz wesentlich ist genau zu differenzieren, auf wen oder was ich gerade mit Spiral Dynamics schaue.

Noch ein paar einführende Hinweise zu Spiral Dynamics

Um die Dynamik zwischen Menschen, in Teams und in Organisationen zu verstehen, müssen wir – jenseits von Gedanken und Verhalten – nach der darunterliegenden Motivation suchen, die die Gedanken und das menschliche Verhalten verursacht. Jeder Mensch ist motiviert, nur eben nicht zu den gleichen Dingen. Viele Konflikte, Missverständnisse und Reibungen in Organisationen entstehen, weil wir erwarten, dass andere die gleichen Motivationen und Triebfedern haben wie wir. Das ist sicherlich in den meisten Organisationen nicht der Fall und auch nicht notwendig, denn Menschen mit völlig unterschiedlichen Motivationen und Triebfedern können ebenfalls gut zusammenarbeiten, solange sie sich über die Richtung einig sind und es ein klares, gemeinsames Ziel gibt.

Überblick Spiral Dynamics Ebenen

Hier einmal die in Organisationen wesentlichen Spiral Dynamics Ebenen in einem extremen Kurzüberblick.

Die erste Stufe „beige“ und die letzte formulierte Stufe „koralle“ habe ich einmal ausgelassen. Ich habe eine Zusammenstellung gewählt, die sehr verkürzt das Modell und einige Interpretationen, bzw. Zuordnungen zusammenfasst. Also bitte erwarte nicht, dass Du nach diesem Artikel mit diesem Modell arbeiten kannst. Es soll Dir nur einen groben ersten Einblick geben. 

Grundsätzlich versteht sich das Modell als „nach oben offen“. Weitere Weltsichten und Werteebenen entstehen bei fortschreitender Entwicklung.

Wertesystem: Purpur, Verwandtschaft, Sicherheit und Geborgenheit

Credo: Tradition und Gewohnheiten sichern unser Fortbestehen

Einstellung: Sicherheit finde ich bei meinen Verwandten

Teamsichtweise: Loyalität und sozialer Zusammenhalt bestimmen unsere Stärke

Qualität: Sorgen, Handwerk, Tun, Improvisationsvermögen

Fallstrick: Starrsinn, in der Vergangenheit leben

Führungsstil: der Pater familias

Gesellschaft: ursprünglich Jäger/Sammler, Nomaden, familiäre Stammesverbände; heutzutage Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft

Wertesystem: Rot, Willenskraft, Handeln & Leidenschaft

Credo: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Einstellung: Herrschen oder beherrscht werden

Teamsichtweise: Alles steht und/oder fällt mit der Anwesenheit oder dem Fehlen einer starken Führung

Qualität: Mut, Tatkraft, Handlungsorientiertheit

Fallstrick: Opportunismus, Machoverhalten, Egoistisch, Impulsiv 

Führungsstil: Der Kommandant

Gesellschaft: Ursprünglich streitende Stämme, Clans mit Kriegsherren, Freistaat, Autokratie; heutzutage Aktionsgruppe, Hard-Core-Sport, Banden, Widerstands- und Befreiungsgruppen

Wertesystem: Blau, Ordnung, Stabilität & Moral

Credo: Zweimal nachdenken, bevor man zur Tat schreitet

Einstellung: Ich erfülle pflichtgetreu meine Arbeit

Teamsichtweise: Alle sind Rädchen in einem größeren, hierarchischen System

Qualität: Sorgfältig, Disziplin, Integer

Fallstrick: Bürokratie, verurteilend, unflexibel, ängstlich, gegenüber Fremden und Fremden

Führungsstil: Der Manager

Gesellschaft: Ursprünglich feudale Gesellschaft, Ständegesellschaft, ideologisch erstarrte Gesellschaft; heutzutage nationalistischer Staat, Region mit eigener Identität, Kirchengemeinde

Wertesystem: Orange, Selbstentfaltung, von Erfolg getrieben & Rationalität

Credo: Nur das Ergebnis zählt

Einstellung: Ich nutze meine Chancen und brillierem um zu gewinnen

Teamsichtweise: Wettbewerb und Leistungsbelohnung sind Voraussetzungen für Erfolg

Qualität: Vision, innovieren, verdienen

Fallstrick: Kalte Sachlichkeit, ausschließlich auf Zahlen starren, Leistungszwang, emotionslos, schlechter Verlierer

Führungsstil: Der Unternehmer

Gesellschaft: Ursprünglich Industriegesellschaft, Meritokratie; heutzutage Demokratie und freier Markt, Wohlstandsgesellschaft, Wissensökonomie

Wertesystem: Grün, Sensibilität, Harmonie & Gemeinschaft

Credo: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Einstellung: Der Weg ist das Ziel

Teamsichtweise: Jeder ist gleich(wertig)

Qualität: Sensitiv für Prozesse, empathisch, idealistisch

Fallstrick: nebulös, sentimental, alle einbinden, träge Entscheidungsprozesse

Führungsstil: Der Verbinder

Gesellschaft: Ursprünglich Multikulturelle Gesellschaft, Sozial- und Versorgungsstaat; heutzutage Bürgergesellschaft, partizipierende Gesellschaft

Wertesystem: Gelb, Synergie systemisch & integral

Credo: Unglaublich, was man schaffen kann. Es ist unwichtig, wer dafür die Anerkennung bekommt

Einstellung: Ich erfülle die Rolle, welche die Situation von mir verlangt

Teamsichtweise: Eine Zusammenarbeit von größtenteils getrennt voneinander arbeitenden Professionals

Qualität: autonom, Umgang mit widersprüchlichen Werten, Gefühl für timing

Fallstrick: Unergründlich, eigensinnig, stellt Dinge unnötig kompliziert oder komplex dar

Führungsstil: Der Evolutionär

Gesellschaft: Zurzeit in Entwicklung; nachhaltige Gesellschaft, Kreislauf- und "Sharing"-Wirtschaft

Tolles Modell, aber Vorsicht bei der Anwendung

Noch einmal der Disclaimer, dass ich Spiral Dynamics für kein gutes Grundlagenmodell für Organisationsentwicklung halte, sondern nur als eine ergänzende Perspektive, mit der man sehr vorsichtig umgehen sollte. Bei Interesse an differenzierteren Begründungen, einfach mal nachfragen. 😉

Wichtig ist noch der Hinweis, dass man zwischen der Struktur und dem Inhalt einer Ebene unterscheiden muss. Die Struktur bilden quasi die Prinzipien, nach denen eine innere und äußere Orientierung erfolgt. Das ist in Spiral Dynamics aus meiner Sicht nicht so klar unterschieden, wie es in STAGES oder der Theory of Process erkennbar ist. Aber auch Spiral Dynamics unterscheidet eigentlich Struktur und Inhalt. So könnte eine Struktur eher blau sein, der Inhalt aber schon Werten entsprechen, die eher bei grün angesiedelt sind.

Eine agile Methodik kombiniert orange Ergebnisorientierung mit grüner Kooperation. Wenn eine agile Methodik also jetzt strikt nach Lehrbuch eingeführt wird, es keine Anpassung an die eigene Organisation gibt und regelmäßig Audits durchgeführt werden, ob auch alle Regeln des Vorgehens eingehalten werden, so ist die Struktur eher in der blauen Entwicklungsstufe zu finden. Das mag zwar schon einiges an Verbesserungen bringen, jedoch ist das noch kein wirklicher Schritt zur echten Agilität, denn es steht nicht der Kunde im Vordergrund, sondern die Einhaltung der richtigen Prozesse.

Jede Stufe schaut auf die Welt aus seiner eigenen Brille. Dabei hat erst die gelbe Stufe eine entwicklungsorientierte Perspektive und kann alle anderen Ebenen wertschätzend integrieren. Die anderen Stufen werden sich eher ablehnen.

Die blaue Ebene lehnt die grenzüberschreitende orangene Perspektive ab. Denn Orange verändert Regeln, wenn das effizienter ist. Grün lehnt die reine orangene Ergebnisorientierung ab, weil aus der Perspektive die Sachebene übertrieben wird und die Mitmenschlichkeit zu kurz kommt. Aus der orangenen Perspektive diskutiert Grün die Dinge zu Tode, ohne wirklich voran zu kommen.

Grün könnte jedoch bereits sehen, dass die orangene Ergebnisorientierung wichtig ist. Grün könnte also eventuell Orange vermitteln, dass die Einbindung der Gefühle langfristig zu einer besseren Effizienz führt. Orange kann die grüne Perspektive nicht sehen, bzw. verstehen und könnte daher keine Integration einer grünen Perspektive betreiben.

Doch Vorsicht. Jemand könnte sozial sehr kompetent und sehr einladend sein, eine wundervolle Atmosphäre verbreiten, ohne dass er auf einer grünen Entwicklungsstufe sein müsste. Das könnte ich auch tun, um mein kurzfristiges Ziel zu erreichen (rot), weil sich das so gehört (blau), weil es meinen Zielen dient (orange), weil es mir ein wichtiger Wert ist (grün), weil es der Verbindung zwischen Menschen dient (gelb). Für die Einschätzung einer Stufe ist es also wichtig, hinter das Verhalten zu schauen. 

Warum tun Menschen das, was sie tun, das ist die Schlüsselfrage.

Das ist hier mit Sicherheit ein extrem verkürzter Einblick in das Modell und wird unglaublich vielen Nuancen nicht gerecht. Aber es ist immerhin ein Einblick. 😉

Wie wäre es also mal, diese Brille einen Moment aufzusetzen und zu schauen, welche Muster sich in Organisationen, Freundeskreis und Familie zeigen, die sich den Stufen zuordnen liessen… 😉

Viel Spaß dabei!

Heiko Veit
Heiko Veit
Hier schreibe, denke und drücke ich mich aus. Und zwar, ohne mir irgendeine Perspektive zu verbieten oder einen besonderen Fokus zu verfolgen. Ich hoffe, Du findest etwas für Dich Interessantes! Mehr über mich findest Du auf Über uns. Danke fürs Lesen und Herzensgrüße an Dich.
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