Ein kurzer Überblick: Das STAGES - Entwicklungsmodell erklärt

Ein kurzer Überblick: Das STAGES - Entwicklungsmodell erklärt

Heiko Veit
von Heiko Veit

In diesem Artikel gebe ich einen Überblick über den Kern des STAGES Modell. Es beschreibt sozusagen das abstrakte Skelett des Modells, die reine Strukturperspektive. Das ist auf der einen Seite die besondere Stärke und Eleganz des Modells, auf der anderen Seite aber auch eine der größten Hürden, wenn man beginnt, sich dem Modell zu nähern. Denn die bunte Ausschmückung der Stufen, das lebendige Sein darin, die Einzigartigkeit der eigenen Lebenserfahrung geben die Farbe und das Fleisch zu dem Modell. Die Gefahr besteht aber darin, dass damit Stereotypen entstehen, wie eine Stufe sich zeigt. Dabei gibt die Struktur einer Stufe eben viel mehr Möglichkeiten des Ausdrucks.

Möchtest Du einen lebendigeren Zugang zu dem STAGES Modell? Dann schau Dir mal den Artikel über die (möglichen) Reisen des menschlichen Bewusstseins an.

Erkunden wir die STAGES Matrix

Die STAGES-Matrix ist ein Modell der Bewusstseinsentwicklung, das mit dem Säuglingsalter beginnt und sich bis zum Erwachsenenalter zu immer späteren Stufen der Differenzierung und Integration entwickelt. Eine Stufe ist ein kohärentes und in sich konsistentes Denk-, Fühl-, Impuls- und Bedeutungsgebungssystem, das die Struktur beschreibt, wie sich jemand auf verschiedene Lebenssituationen bezieht. Eine Stufe ist die Ebene, von der aus wir den Lebenserfahrungen konsequent einen Sinn geben.

Der Schweizer Psychologe Jean Piaget entwickelte Stufen für Kinder, die relativ weit verbreitet sind. Dazu gehören die sensomotorische, die präoperationale, die konkret-operationale und die formal- operationale Stufe. Man könnte sagen, dass das STAGES-Modell die ursprüngliche Arbeit von Piaget noch klarer macht und sie zu einer viel umfassenderen Darstellung der Entwicklung bis ins Erwachsenenalter ausbaut.

STAGES Matrix Modell Bewusstseinsentwicklung

Das STAGES-Modell umfasst 12 verschiedene Stufen und 6 verschiedene Arten von "Perspektiven" - von der Perspektive der ersten Person eines Säuglings über die Perspektive der dritten Person eines Wissenschaftlers bis hin zur Perspektive der sechsten Person der am weitesten fortgeschrittenen Bewusstseinstufe, zu der wir gegenwärtig ausreichend Forschungsdaten haben. Dieses Modell wurde von Terri O'Fallon entwickelt, die in Ihrer Forschung die theoretischen Rahmen des Philosophen Ken Wilber, führender Entwicklungsforscher der Loevinger-Linie wie Susanne Cook-Greuter und dem Psychologen und Psychotherapeuten Kim Barta in einen Gesamtkontext gebracht hat.

Wir entwickeln uns ganzheitlich aus unserem Zentrum heraus

Anders als viele Entwicklungsmodelle verwenden wir nicht die Metapher einer Leiter oder Treppe, sondern die Metapher des Ballons. Das hat zwei Gründe. Zum Einen ist ein Ballon bereits frei im Himmel, wir müssen nicht erst irgendwo hinkommen. Zum Anderen entwickeln sich die menschlichen Perspektiven um um unseren Kern herum und nicht nur "oben" auf eine bestehende Struktur. 

Mit jeder Perspektive wächst unsere Fähigkeit, Objekte zu differenzieren und diese somit nicht mehr als Teil Identität zu betrachten. Als Baby sind wir quasi unser Körper, später erkennen wir, dass wir einen Körper haben. Ein anderes Beispiel: Während manche Erwachsene ihre Beziehungen sind (d. h. sie sind ihnen unterworfen, oder was Therapeuten als "koabhängig" bezeichnen würden), sind andere in der Lage, Beziehungen zu haben. Mit anderen Worten: Sie können eine Beziehung zu ihren Beziehungen haben. Das würde bedeuten, dass die Beziehung ein "Objekt" ist, das sie mit ihrem Bewusstsein sehen können, und nicht etwas, das Teil ihrer Selbstidentität ist.

Die obigen Beispiele sind zwei von vielen, die man anführen könnte, um zu zeigen, wie sich der Mensch in seiner Fähigkeit entwickelt, Bewusstsein für konkrete Objekte wie Fahrräder und Spielzeug, subtile Objekte wie Metakognition, nuancierte Gefühle, eine Beziehung zu Beziehungen und sogar Metabewusste Objekte wie das Bewusstsein des Bewusstseins selbst zu entwickeln.

Die STAGES-Matrix ergibt sich aus Stufen und deren Definition über Parameter

Die Stufennamen in STAGES sind identisch mit der Personenperspektive und tragen keinen weiteren sprechenden Namen. Jeder Name würde weitere inhaltliche Assoziationen wecken, die von der strikten Strukturperspektive von STAGES ablenken würden. 1.0 ist also die frühe erste Personenperspektive und 1.5 die späte erste Personenperspektive. Danach kommt 2.0 als frühe zweite Personenperspektive und dann 2.5 als die späte zweite Personenperspektive und so weiter.

Jede Stufe wird durch Parameter beschrieben und in der STAGES Matrix adressieren die drei Fragen die drei Parameter, die eine Stufe definieren.

STAGES Entwicklungsmodell Parameter

Was hat es mit der ersten Frage auf sich?

Die erste Frage identifiziert die Schicht, in die das Objekt des Gewahrseins gehört. Es gibt im STAGES Modell drei Schichten und in jeder Schicht gibt es vier Stufen.

Die erste Schicht nennen wir konkret, weil die Objekte, die im Bewusstsein erschienen konkret sind, z.B. ein Haus, eine Familie, Nahrung, ein Job, Wut und Freude.

Die zweite Schicht heißt subtil, weil die Objekte, die in diesen vier Stufen aufkommen subtil sind, das Denken selbst, feinere Gefühle, strategische Pläne, abstrakte Diagramme, Kontexte und Systeme.

Die dritte Schicht bezeichnen wir als metabewusst, da die Objekte hier die eigene Bewusstheit und die Art und Weise, wie man Bedeutung gibt selbst erfassen kann.

STAGES Entwicklungsmatrix Objekt des Gewahrseins

Wenn man beginnt STAGES zu lernen, ist die Unterscheidung in welche Stufe welches Objekt gehört immer wieder eine spannende Herausforderung, zumal es nicht um das Wort geht, sondern um das Objekt im Gewahrsein.

Die Schicht des Objektes entspricht also dem ersten Parameter einer Entwicklungsstufe.

Und worum geht es bei der zweiten Frage?

Die zweite Frage bestimmt, welche soziale Präferenz die Erfahrung des Objektes färbt.

Ist der Fokus des Erlebens eher individuell und auf dem Individuum unabhängig davon, ob andere Menschen um einen herum sind, also meine eigenen Wünsche, Bedürfnisse, Hoffnungen und Träume?

Oder liegt der Schwerpunkt eher auf dem kollektiv, unabhängig davon, ob ich gerade alleine bin oder nicht, also eher auf Prinzipien, Kontexten und Vereinbarungen?

Hier sieht man in der Matrix auch, wie sich dieser Parameter im Laufe der Entwicklung wiederholt. jedoch mit unterschiedlichen Objekten.

STAGES Entwicklungsmodell menschliche Erfahrung soziale Praeferenz

Der zweite Parameter einer Stufe ist also die soziale Präferenz und auch hier bedarf die Zuordnung einer tieferen praktischen Beschäftigung mit dem Modell.

Mit der dritten Frage vervollständigen wir die Definition der Stufe

Die dritte Frage bezieht sich auf den Lernprozess, bzw. den Umgang mit dem Bewusstseinsinhalt.

Wir empfangen neue Objekte rezeptiv, wir müssen sie erst kennen- und kategorisieren lernen. Wir müssen die Kontur und die Grenzen verstehen und beginnen dann mit diesen Objekten zu hantieren. Als Baby empfangen wir zuerst mit unseren Sinnen, die sich darin ausprägen, bis wir Geräusche und Farben erkennen können. 

Nach etwas Übung können wir ganz aktiv mit den Objekten und deren Kombinationen umgehen. Als Kinder können wir nicht nur unseren Körper einsetzen, sondern auch unsere Kreativität um beispielsweise die Kekse zu bekommen, die auf dem Küchenschrank stehen.

In der nächsten Phase treten wir mit anderen in die Interaktion mit diesen Objekten und werden dadurch reziprok. So geht es bei Kindern irgendwann nicht mehr nur um das Spielzeug, sondern um das gemeinsame Spiel mit Anderen.

Daraus erwächst dann die interpenetrative Phase, in der wir unsere Interaktionsobjekte und -partner in gegenseitiger Durchdringung integrieren. So entstehen beispielsweise grundlegende Prinzipien und Werte aus den sich verfestigenden Regeln der früheren Phase.

STAGES Entwicklungsmatrix menschliche Erfahrung Lernprozess

Der dritte Parameter ist also der Lernprozess. Das ist sozusagen auch ein Treiber für den übergreifenden Prozess in der stufenweisen Bewusstseinsentwicklung. 

Und jetzt noch einmal rauszoomen auf das Ganze

So ergibt sich die STAGES-Matrix, in der jede Personenperspektive mit den drei Parametern definiert ist. Die Parameter kann man sich ähnlich vorstellen wie die Bausteine der DNA vorstellen. Mit der Kombination aus relativ wenig Bausteinen lassen sich alle biologischen Formen bilden. Genauso lässt sich mit den drei Parametern jede Struktur des menschlichen Bewusstseins erzeugen und diese Struktur wird dann mit der einzigartigen Lebenserfahrung gefüllt. 

Die Matrix hilft darüber hinaus, wiederkehrende Muster zu erkennen, sogenannte Schichtverschiebungen. So haben die Stufen 1.0, 3.0 und 5.0 bis auf die Objekte die gleichen Parameter und somit trotz der großen Unterschiedlichkeit in der Ausprägung der Entwicklungsstufe einander ähnelnde Strukturprinzipien

STAGES Entwicklungsmodell Schichtverschiebungen

Gleiches gilt auch für 1.5, 3.5 und 5.5, ebenso für 2.0, 4.0 und 6.0 sowie für 2.5, 4.5, 6.5. Das ist insbesondere in therapeutisch wirksamen Settings sowie der Entwicklungsbegleitung relevant, weil damit nicht nur sehr viel klarer und passgenauer interveniert werden kann, sondern auch die früheren Lernerfahrung des Menschen für die Transformation auf spätere Stufen transferiert werden können.

An dieser Stelle ist mir besonders wichtig, nochmal auf die Ballon-Metapher im STAGES - Modell zu verweisen. Dieses Modell hat ein anderes Tiefenverständnis als durch die Treppenmetapher transportiert wird. So stehen uns alle einmal durchlaufenen Stufen als flexible Bezugsmöglichkeiten auf Lebenssituationen zur Verfügung und wir können zustandsartig die Personenperspektive verändern. Das ist besonders relevant in der Anwendung von STAGES in Kommunikation, Führung, Coaching, Therapie und Entwicklungsbegleitung.

Und Bedeutung geben wir aus unserem Schwerpunkt des Bewusstseins

Unabhängig von dem flexiblen Zugriff auf durchlaufene Stufen, haben wir auch einen Schwerpunkt des Bewusstseins, von dem aus wir uns üblicherweise auf die Gestalt, also die Gesamtheit unserer Erfahrungen beziehen, sozusagen den stabilen Umfang unseres Ballons. Von diesem Schwerpunkt aus geben wir allem, was wir erfahren letztlich eine Bedeutung, eben auch den vertikalen Entwicklungsmodellen. Wir können aber nur die Stufen wirklich begreifen, die wir bereits durchlaufen haben. Allen anderen weisen wir -im Allgemeinen ohne es zu merken- eine Bedeutung zu. Darum sind Selbsteinschätzungen des Schwerpunkts des Bewusstseins so schwierig.

Mit dem Entwicklungsprofil ist es möglich, den Schwerpunkt des Bewusstseins einer Person zu bestimmen. Das ermöglicht der Person genauer zu verstehen, welche Stufen sie begreift und welche Stufen auch noch nicht. Darüber hinaus werden in einem Entwicklungsprofil noch differenzierte Rückmeldungen zu der Entwicklungsbalance und der Entwicklungsbreite gegeben, sowie zu den Ergebnissen passende Entwicklungsanregungen. In dem Auswertungsgespräch erfolgt dann eine ggf. notwendige Irritation der bisherigen Bedeutungsgebung, die entwicklungsförderlich ist und vor allem die passgenaue Übersetzung der Entwicklungsanregungen in die konkrete und einzigartige Lebensrealität mit den bestehenden Wünschen, Sehnsüchten, Chancen, Herausforderungen und Rahmenbedingungen. Daher ist das auch ein idealer Startpunkt für eine Entwicklungsbegleitung und unerlässlich, wenn man professionell mit Anderen arbeiten möchte, und dabei vertikalen Entwicklungsmodellen verwendet.

Interesse an einem eigenen STAGES Entwicklungsprofil oder an konkrete Kurse mit dem STAGES - Modell?

Heiko Veit
Heiko Veit
Hier schreibe, denke und drücke ich mich aus. Und zwar, ohne mir irgendeine Perspektive zu verbieten oder einen besonderen Fokus zu verfolgen. Ich hoffe, Du findest etwas für Dich Interessantes! Mehr über mich findest Du auf Über uns. Danke fürs Lesen und Herzensgrüße an Dich.
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